Gemeinsame Pressemitteilung - Ein Jahr Ersatzbaustoffverordnung: Ziele der Politik nicht erreicht
Überbordende Bürokratie, keine Schonung von Deponieraum, fehlende Marktakzeptanz für Sekundärbaustoffe
Nach über 15 Jahren Diskussion trat am 1. August 2023 die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) in Kraft. Diese soll die Kreislaufwirtschaft am Bau fördern und den Einsatz von Recyclingbaustoffen erhöhen. Mineralische Bauabfälle sind mit über 220 Mio. Tonnen die größte Abfallmenge in Deutschland. Eine aktuelle Umfrage von vier Bau- und Recyclingverbänden unter ihren Mitgliedsunternehmen zeigt, dass das Ziel der EBV bisher nicht erreicht wurde. Nur 5 Prozent der Befragten (156 Firmen) sagten, dass seither mehr Bauschutt- und Bodenaushub recycelt werde, 52 Prozent sahen keine Veränderung – und 42 Prozent der Betriebe erklärten, dass weniger für die Wiederverwertung aufgearbeitet werde als zuvor.
Als Hauptgrund nennen die Unternehmen, dass die meisten Ersatzbaustoffe noch immer als Abfall klassifiziert werden müssen und nicht den Status eines Bauprodukts erhalten. Obwohl Recyclingbaustoffe qualitativ ebenso gut sind wie neue Baustoffe, schreckt der reine Begriff „Abfall“ viele Auftraggeber ab. Auch Länder und Kommunen wollen weiterhin in vielen Fällen nicht mit Recyclingmaterialien bauen, berichten die Unternehmen.
Generell monieren die befragten Unternehmen große Unsicherheiten bei der Umsetzung der Anforderungen in der Praxis und einen hohen bürokratischen Aufwand. Insbesondere die umfangreichen Dokumentationspflichten des Verwenders, die Haftungsfrage und Risikoverlagerung führen dazu, dass Ersatzbaustoffe nicht ausgeschrieben und stattdessen Primärbaustoffe genutzt werden.
Der Deutsche Abbruchverband (DA) hatte gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB), dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Bundesgemeinschaft Recycling-Baustoffe (BGRB) den Bericht erstellt. Die Verbände repräsentieren die gesamte Bandbreite der Bau- und Abfallbranche sowie der Aufbereitungs- und Entsorgungswirtschaft und hatten ihre Unternehmen mehrfach (Sept. 2023, Februar und Juni 2024) mit Umfragen zur EBV begleitet, um so ein aussagekräftiges Bild über das erste Jahr Ersatzbaustoffverordnung zu gewinnen.
Um die vollen Potenziale der EBV zu nutzen, sind weitere Anpassungen und Verbesserungen erforderlich. Eine zeitnahe Umsetzung des Produktstatus aller mineralischer Ersatzbaustoffe, die Förderung der Marktakzeptanz von Ersatzbaustoffen, aber auch die Verringerung des Dokumentations- und Bürokratieaufwandes sowohl für Hersteller als auch für Verwender von mineralischen Ersatzbaustoffen sind von entscheidender Bedeutung.
Andreas Pocha, Geschäftsführer Deutscher Abbruchverband e.V.: „Es ist dringend erforderlich, einfache, zeitnahe und unbürokratische Regelungen umzusetzen. Insbesondere muss rechtlich verankert werden, dass alle Ersatzbaustoffe der EBV das Abfallende erreichen und einen Produktstatus erlangen können. Denn nur so ist das Ziel der EBV durchsetzbar, eine Marktakzeptanz für die nach EBV güteüberwachten und zertifizierten mineralischen Ersatzbaustoffe gegenüber den derzeit noch bevorzugten Primärbaustoffen zu schaffen.“
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer Zentralverband Deutsches Baugewerbe: „Die Ersatzbaustoffverordnung droht krachend zu scheitern. Nach 15 Jahren Anhörungen und Diskussionen ist das ein Offenbarungseid. Eine echte Kreislaufwirtschaft ist ohne den Produktstatus aller mineralischen Ersatzbaustoffe schlicht nicht möglich. Länder und Kommunen müssen Farbe bekennen und sich zum Bauen mit Recyclingmaterial verpflichten. Nur so können wir langfristig die Marktakzeptanz erhöhen und unsere Abhängigkeit von Primärrohstoffen verringern.“
Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie: „Deutschland hat es wieder einmal geschafft: Statt für mehr Kreislaufwirtschaft am Bau zu sorgen, wird ein Jahr nach Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung weniger recycelt, mehr Rohstoffe auf die Deponie gefahren und die Kosten haben sich für alle erhöht. In der Privatwirtschaft würde ein solches System sofort beerdigt, bei der Bundesregierung kann nur die ewige Hoffnung auf Besserung trösten. Anstatt langwieriger Prozesse und noch mehr Bürokratie muss endlich der Produktstatus für Recycling-Materialien aller drei Güteklassen kommen und der kategorische Ausschluss von Ersatzbaustoffen in öffentlichen Ausschreibungen fallen. Schließlich muss es das Ziel sein, mehr Rohstoffe im Kreislauf zu behalten.“
Katrin Mees, Geschäftsführung BGRB: „Die Einführung der EBV hat den Dokumentationsaufwand und die Bürokratie erheblich erhöht. Unternehmen müssen nun immense Zeit- und Kostenressourcen für Analysen aufwenden. Die Zusammenarbeit mit den Behörden stellt sich in vielen Fällen als schwierig dar. Behördenvertreter sind zu oft schlecht informiert und können bei der Umsetzung der EBV-Vorgaben selten helfen. Um die Kreislaufwirtschaft erfolgreich voranzubringen, ist eine gute Kommunikation mit den Behörden dringend erforderlich, damit die Branche handlungsfähig bleibt und nicht durch administrative Hürden ausgebremst wird.“
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